Und auch der hat sich wohl gebettet,
Der aus der stürmischen Lebenswelle,
Zeitig gewarnt, sich herausgerettet
In des Klosters friedliche Zelle.
(Friedrich Schiller, Braut von Messina, V. 2569–72)
Das Kloster als Hort des Friedens, der Einheit mit Gott, der Natur und sich selbst, als Rückzugsort vor den Gefahren und Gefährdungen der Welt da draußen, Trost spendende Klause in schmerzvoller Zeit – auch wenn diese Bilder nicht immer der Wirklichkeit entsprechen, sondern Klöster mit ihren Bewohnern durchaus inneren wie äußeren Kämpfen ausgesetzt waren und sind, werden sie gern von Dichtern und Dichterinnen so gezeichnet. Klöster sind poetische Orte, Orte, die in der Poesie gepflegt werden und die Poesie pflegten und pflegen. Und selbst wenn ihre Gemäuer längst einer anderen Nutzung zugeführt wurden, blieben sie auf gewisse Weise Klöster und für die Literatur als solche interessant.
Im Mittelalter waren sie die Bewahrer der abendländischen Kultur. Hier konnte das Schreiben und Lesen erlernt werden, kopierte man vor der Erfindung des Buchdrucks Bücher und Dokumente und legte den mündlichen Erzählschatz schriftlich nieder – herausragende Beispiele auf baden-württembergischen Boden sind die Klöster Weingarten und Reichenau, wobei Letzteres nicht nur für seine Buchkunst berühmt ist, sondern mit Walahfrid Strabo auch den ersten bedeutenden deutschen Dichter hervorbrachte.
Spätestens mit der Reformation brach für die Klöster eine neue Zeit an. In den protestantischen Ländern wurden sie nicht mehr gebraucht und säkularisiert. Herzog Christoph von Württemberg erließ 1556 eine Klosterordnung, durch die eine Reihe ehemaliger Klöster zu evangelischen Klosterschulen umgewidmet wurde – und schuf damit aufs Neue einen Ort, der mit der Literatur in enger Verbindung stand. In ehemaligen Klöstern untergebrachte Schulen wie Bebenhausen, Blaubeuren, Denkendorf, Maulbronn und Schöntal entwickelten sich zu Eliteschmieden sondergleichen, die bis ins 20. Jahrhundert hinein das geistliche und kulturelle Leben Württembergs prägten. Die typische »schwäbische« Karriere führte über das berühmt-berüchtigte »Landexamen« auf die niedere und anschließend die höhere Klosterschule und nach einer weiteren bestandenen Prüfung aufs Tübinger Stift. Die Schüler mussten sich verpflichten, später als Pfarrer oder Lehrer ihrem Land zu dienen, kamen dafür aber in den Genuss eines Stipendiums. Hölderlin, Vischer, Strauß, Hauff, Mörike, Hermann Kurz, Hesse, Goes – nicht wenige der Dichter und Denker, die über die Landesgrenzen hinaus berühmt wurden, hatten die in ehemaligen Klöstern untergebrachten evangelischen Seminarschulen besucht, dort gelernt und gelitten, gedichtet und ab und an auch gezecht.
Die baden-württembergischen Klöster gingen aber nicht nur als Schulstätten bekannter deutscher Autoren in die Literaturgeschichte ein. Insbesondere in Empfindsamkeit und Romantik entwickelten sich Klöster oder Klosterruinen zu den besagten Orten innerer Einkehr und sehnsüchtiger Träume, zu poetischen Orten. Kein Wunder also, dass etwa Kerner, Schwab, Uhland und Mörike Klöster wie Bebenhausen, Hirsau und Lichtenthal besangen, wobei auch Schriftsteller des 20. Jahrhunderts – allen voran Reinhold Schneider in Lichtenthal – hinter Klostermauern Zuflucht suchten und literarische Betrachtungen anstellten. Die Stauferbegeisterung der Romantiker und nachfolgender Generationen machte aus Lorch eine Wallfahrtsstätte nicht wegen geistlicher Wundertaten, sondern weil dort Mitglieder des glanzvollen Kaisergeschlechts ihre letzte Ruhe gefunden hatten. Das bei Heidelberg gelegene Stift Neuburg wurde zunächst als »Romantikerklause« bekannt, 100 Jahre später war es Treffpunkt für illustre »Dichter und ihre Gesellen«, darunter Karl Wolfskehl und Stefan George.
Manchmal sind es ganz und gar unklösterliche Gründe, die ins Kloster führten. In Denkendorf wurde eine Senffabrik innerhalb der säkularisierten Klostermauern eingerichtet, dank der Fritz Alexander Kauffmann seine Kindheit dort verlebte, die er in seinem autobiographischen Roman Leonhard wiederaufleben ließ. Max Eyth verbrachte als Lehrersohn einen Teil seiner Jugend in Kloster Schöntal, diese Erfahrungen sowie Impressionen aus Blaubeuren, wo sein Vater später ebenfalls unterrichtete, flossen in die Geschichte seines Schneiders von Ulm ein. Murrhardt geriet einen Wimpernschlag lang in den Blickpunkt der Literaturgeschichtsschreibung, als F. W. J. Schelling die Muse der Jenaer Romantiker, Caroline Schlegel, hier heiratete und Literatenbesuch empfing. Nicht immer lässt sich zwischen Kloster und dazugehörigem Ort oder wie im Fall der Reichenau zwischen Kloster und Insel trennen. Zu schade wäre es, würden nicht auch diejenigen einbezogen, die zwar nicht hinter Klostermauern, so doch in deren unmittelbarer Nähe lebten und wirkten, zumal oft gerade das Flair, das von einem Kloster ausging, die ganz besondere Atmosphäre schuf, die die Literaten und Literatinnen in die Gegend lockte. …