Plötzlich Prinzessin?
Interview mit Anne Gräfin Adelmann, Schloss Hohenstadt
Im Moment schreibe ich für das nächste Heft des Magazins „Schlösser“ einen Artikel zu Schloss Hohenstadt im schwäbischen Abtsgmünd. Schon vor einiger Zeit interviewte ich Anne Grafin Adelmann für einen Beitrag im Magazin „Women’s History“.
Anne Gräfin Adelmann lernte als amerikanische Studentin Reinhard Graf Adelmann kennen und folgte ihm später auf das Schloss seiner Familie, nämlich Schloss Hohenstadt. Inzwischen ist sie Mutter von zwei Kindern und managt den Betrieb. Unter anderem richtet sie Hochzeiten nach historischem adligem Vorbild aus.
Wie hat es Sie nach Deutschland verschlagen?
Das ist eine romantische Geschichte. Mein Schwiegervater ging als Offizier der NATO für drei Jahre in die USA. Ein Sohn blieb in Deutschland und schaute nach dem Schloss, seine Frau und die übrigen Kinder gingen mit. Gegen Ende dieser Zeit habe ich meinen späteren Mann auf der Universität kennengelernt. Er ist an mir vorbeigelaufen, ich bekam Schmetterlinge im Bauch. Da er schüchtern war, habe ich ihn auf einen Kaffee eingeladen. Er teilte mir mit: „Ich muss Ihnen etwas sagen. Meine Familie und ich wohnen in einem kleinen Dorf in einem kleinen Schloss.“ Ich habe geglaubt, dass er mich anlügt. Monate sind vorbeigegangen, ich habe nie wieder eine Frage über das Schloss gestellt, er hat das Thema nicht mehr angesprochen. Dann musste er wegen seines Wehrdiensts zurück nach Deutschland. 2001 wurde ich zu Weihnachten dorthin eingeladen.
Wie haben Sie sich das Leben im Schloss vorgestellt?
Im Flugzeug sah ich den Film „Plötzlich Prinzessin“ mit Anne Hathaway, die von einem normalen Teenager zur Prinzessin wird. Ich habe geträumt, dass mich auch so eine Prinzessinnenschule erwartet. Doch als ich hier ankam, wusste ich, dass das kein Prinzessinnenleben sein wird. Und so ist es auch, es ist harte Arbeit, aber wir waren als Kinder in Amerika arm und haben zu arbeiten gelernt für das, was wir haben wollten.
Und wie haben Sie sich so ein historisches deutsches Schloss vorgestellt?
Ich bin ein Disneymädchen, also habe ich etwas Rosafarbenes oder so erwartet. Das Schloss ist aber kein Disneyschloss, es ist sehr alt und vor allem echt – und das sieht man. Von außen braucht es noch viel Arbeit, aber innen ist es wunderschön. Man merkt, dass das Gebäude mit Liebe gebaut wurde.
Sind Sie dann gleich geblieben?
Nein, aber wir haben uns entschieden, dass wir heiraten. Ich bin sehr schwach in Sprachen, es war mir klar, dass ich deshalb hier keine Arbeit finden würde. Reinhard ging mit mir zurück. Wir haben uns ein schönes Haus in Virginia Beach gekauft. Er arbeitete bei einer deutschen Firma, ich als Lehrerin. Außerdem machte ich das Marketing für die Schule, ich habe einen Master in Business Administration, passt heute gut, um das Schloss zu managen. Wir blieben bis September 2010 in den USA, aber mein Mann hatte großes Heimweh nach Deutschland und seiner Familie, und sein Herz brennt für das Schloss, während es seine Geschwister nicht haben wollten. Er sagte: „Lass uns nach Deutschland gehen und es versuchen, wenn es nicht funktioniert, kehren wir zurück.“
Offenbar funktioniert es hier, oder?
Ja, heute bin ich nicht zuletzt wegen Donald Trumps Wahl sehr froh, dass ich nicht mehr in den USA wohne. Schade ist nur, dass ich meine Familie nicht so oft sehe, wie ich gern würde. Sie kommen zwar immer wieder und anfangs sind wir öfter hingereist, aber seit wir vor drei Jahren das Schloss von meinen Schwiegereltern übernommen haben, bleibt dafür keine Zeit mehr.
Was ist es für ein Gefühl, in diesem alten Schloss zu wohnen? Ist es ungemütlich und kalt?
Beim Einzug war das Gefühl nicht so neu für mich, wir waren oft in Urlaub hier gewesen. Unsere Wohnungen sind warm und gemütlich und familiär.
Sie haben in eine uralte deutsche Adelsfamilie eingeheiratet. Spüren Sie da etwas Besonderes?
Nun ja, wir können nicht einfach Entscheidungen für uns allein treffen, das ist alles sehr komplex. Man denkt hier in Generationen und bezieht andere Familienmitglieder mit ein. Das Schloss ist seit Ende des 12. Jahrhunderts Herrschaftssitz, seit 1530 im Besitz der Familie Adelmann, und das möchte man natürlich bewahren. Wir haben zwei Kinder, also versuchen wir Entscheidungen für die nächsten 100 Jahre und die kommenden Generationen zu treffen. Frühere Generationen haben das nicht getan und haben alles, was Geldquelle war, wie etwa den Waldbesitz, verkauft. Oft fehlt uns deshalb das Geld für die nötigen Renovierungen.
Und was machen Sie, um das Schloss der Ahnen für die zukünftigen Generationen zu erhalten?
Mein Mann arbeitet Vollzeit, ich kümmere mich um das Schloss. Meine Schwiegereltern, die auch hier wohnen, helfen mit. Mein Schwiegervater arbeitet täglich im Schlossgarten und wird oft für den Gärtner gehalten. Jeder übrige Cent fließt in das Schloss. Ich habe ein ganzes Heft voll Ideen, aber wir müssen es realistisch angehen, wir haben keine Mitarbeiter, nur eine Reinigungshilfe und machen alles selbst. Ich renne vor einer Veranstaltung mit teurer Frisur und alten Klamotten herum und bereite alles vor, eine halbe Stunde vor Beginn eilen wir dann nach oben in die Wohnung und ziehen uns schick an. Wir machen Gästeführungen, zwei große Veranstaltungen und etwa dreißig Hochzeitsfeiern sowie sechzig standesamtliche Trauungen im Jahr.
Sie organisieren historische Hochzeiten?
Historische Hochzeiten würde ich das nicht nennen, sondern adelige Hochzeiten, wie wir sie seit 25 Generationen kennen. Dabei gab es zum Beispiel immer einen Empfang, der laut der Großmutter meines Mannes dem Gast sagen sollte: „Danke, dass du gekommen bist!“ Solche alten Traditionen bringen wir für die Brautpaare ein. Wir sagen ihnen auch: „Als unsere Damen geheiratet haben, schleppten sie keine Stühle und putzten keine Toiletten. Das sollt Ihr hier auch nicht machen müssen.“ Also nehmen wir ihnen so viel wie möglich ab. Hochzeiten gibt es hier seit über 30 Jahren. Wir arbeiten mit den Brautpaaren aus, was sie sich wünschen, beraten sie und organisieren das Fest.
Wer will eine solche Hochzeit nach alter Adelstradition?
Es gibt drei Gruppen von Interessenten: Die einen wollen Prinz und Prinzessin für wenigstens einen Tag sein, und das können wir einfach. Dann gibt es viele, die zum zweiten Mal heiraten und sich sagen: „Dieses Mal wollen wir alles richtig machen. Wir wollen die Tischdekoration nicht mehr selber basteln und in einer passenden Location richtig romantisch heiraten.“ Und dann gibt es diejenigen, die Geschichte, Tradition und Romantik lieben, sie buchen für Ihre Gäste gleich Schlossführungen oder andere romantische Elemente mit und tauchen so richtig in das herrschaftliche Ambiente ein.
In welchen Räumen kann geheiratet werden?
Man kann in der 1711 erbauten Wallfahrtskirche kirchlich heiraten, die ist atemberaubend schön und sehr historisch, sehr barock. Oder man kann im barocken Rittersaal heiraten oder feiern. Im Fruchtkasten hat man auch ein tolles, einzigartiges Ambiente. Ein wichtiger Teil ist unser historischer Heckengarten, der „das kleine Versailles“ genannt wird – er ist einer der älteste Heckengärten Europas, 1549 zum ersten Mal erwähnt und 1765 barockisiert, hierhin können Gäste zu Trauungen, Empfängen oder anderen Aktivitäten kommen. Wenn man auf dem Areal die Augen zumacht, glaubt man, sich im Jahr 1765 zu befinden. Die Brautpaare spüren etwas von dieser Romantik und die Liebe, mit der alles einst gebaut wurde und bis heute betreut wird.
Kann man auch direkt im Schloss heiraten?
Ja, außer im Lusthaus oder im Heckengarten unter freiem Himmel kann man im Rittersaal heiraten. Dort hängen alle unsere Vorfahren, die sind als Gäste dabei. Auch Kaiser Franz von Österreich ist darunter. Die ganze Geschichte dieser Herrschaft ist dabei. Alle die Vorfahren leben bei uns mit, die sind überall, wir kommen nicht von ihnen los. Ich hoffe, dass sie nicht den Kopf schütteln und sagen: „Der Mann hat die falsche Frau.“ Ich hoffe, dass sie es gut finden, was ich hier mache. Immerhin sagte die Großmutter meines Mannes: „Das ist die richtige Frau für dich, das ist die richtige Frau für Hohenstadt.“ Ich hoffe, dass ich so in die Geschichte dieses Schlosses eingehe.