Die Gamburg im Taubertal
Deutsches Mittelalter gepaart mit der Leichtigkeit des Südens
Manche Burg möchte wenigstens einen einzigen Burggeist ihr Eigen nennen und kann es nicht. Andere Burgen würden gerne veritable Kunstschätze vorweisen und haben sie nicht. Viele sind zu unserem Leidwesen zerstört und unbewohnt, auch würde man lieber einen idyllischen Burggarten statt des meist ausgetretenen Grases zwischen den Zwingermauern betreten. Ganz weit oben in Baden-Württemberg gibt es aber eine Burg, die all das Gewünschte hat und das auch noch im Überfluss. Sie kann 21 Geister und eine Wasserfrau zählen, weist die ältesten weltlichen Wandmalereien nördlich der Alpen auf, wurde nie zerstört, ist bis heute bewohnt und besitzt einzigartige Gärten. Die Rede ist von der Gamburg.
Der Süden im baden-württembergischen Norden – die Gamburg
Jenseits der Feinstaubregionen, in der Hügel- und Flusslandschaft entlang der Tauber liegt der Bergsporn, auf dem die Gamburg seit dem 12. Jahrhundert allen Zeitläuften widersteht. Wer durch das Tor tritt, fühlt sich trotz des staufischen Bergfrieds nicht etwa an dunkles deutsches Mittelalter, schwere Ritterrüstungen oder blutige Belagerungen erinnert. Vielmehr glaubt er sich in den hellen Süden versetzt, spürt die Leichtigkeit der Renaissance. Im Hof empfangen ihn Palmen, Oleander, Zitronen- und Olivenbäumchen. Lavendel und Zypressen fügen sich so harmonisch ins Ganze, als würden sie in ihrem angestammten Naturraum wachsen.
Unwillkürlich lenkt der Besucher die Schritte in den Garten des Burgcafés. Die niedrige Mauer gibt den Blick ins Taubertal frei, Putten und steinerne Pflanzgefäße stehen zwanglos zwischen Rosen und Gräsern, Holztische und -Stühle laden zum Verweilen in der Sonne ein, ein Spitzahorn breitet einladend seine Äste aus. Gäbe es nicht so viel zu sehen, würde man sich von diesem Stückchen Paradies nicht mehr lösen können.
Mit Liebe zur Gartengestaltung
Doch da ist auch noch der barocke Burgpark. Im 17. Jahrhundert wurde er von den damaligen Eigentümern, den Freiherren von Dalberg, auf einer künstlich aufgeschütteten Terrasse unterhalb der Wehrmauer angelegt. Nachdem er in den 1960er Jahren verfallen war, wurde er inzwischen nach alten Vorlagen liebevoll wiedererrichtet. Statuen und botanische Raritäten, Hecken und ein Nymphenbrunnen, Wasserspiele, Obelisken, Zypressen und Palmen gruppieren sich hier zu einem Gartenkunstwerk. Noch nicht einmal der Lichteinfall ist zufällig, und doch ist dieses Kunstwerk von natürlicher Schönheit.
Dass auch Wildtiere den Park zu schätzen wissen, zeigen die Rehe, die gerne aus dem angrenzenden Wald herkommen. Hier wie auch im Inneren der Burg ist die kundige und liebevolle Hand der v. Mallinckrodts zu spüren. Behutsam hegen und pflegen sie die Schätze, die die alten Mauern beherbergen und die nicht alle bekannt waren, als die Burg 1980 in den Besitz der Familie kam.
800 Jahre Barbarossa-Fresken auf der Gamburg
1157 erhielt Beringer von Gamburg das „castrum Gamburg“ vom Mainzer Erzbischof zum Lehen. Im Gegenzug hatte dieser den nahen Weiler Brunnenbach bekommen, auf dem die Zisterzienser Kloster Bronnbach erbauten. Sein Sohn, Beringer der Jüngere, nahm am Kreuzzug Kaiser Barbarossas teil. Zurück in der Heimat ließ er um die Wende zum 13. Jahrhundert den Hauptsaal des repräsentativen dreigeschossigen Saalbaus, den er wenige Jahre zuvor hatte errichten lassen, mit dekorativen Wandmalereien ausschmücken.
1219 starb das Geschlecht der Gamburger aus, die Burg erlebte wechselnde Besitzverhältnisse, blieb aber immer bewohnt und wurde nie zerstört. Sogar Götz von Berlichingen hielt im Bauernkrieg seine Hand über sie. Noch im 13. Jahrhundert wurden die Wandmalereien offenbar aus politischen Gründen übertüncht und gerieten in Vergessenheit. Hätte nicht die moderne Zeit und mit ihr die Elektrizität auf der Burg Einzug gehalten, wüssten wir wohl heute nichts von ihnen.
Eines Tages aber ließ Hans-Georg von Mallinckrodt jun. im Palas einen Stromkasten einbauen, entdeckte, dass etwas unter dem Putz war, und legte es frei. Was zutage trat, war eine Sensation: Es waren die Wandmalereien, die Beringer in seinem Saal hatte anbringen lassen. An drei Wänden und fast vier Meter hoch zeigen sie Szenen aus dem Kreuzzug Friedrichs I. Barbarossa, darunter vermutlich eine frühe Abbildung des Kaisers selbst. Auch tragen sie eine der ältesten Inschriften in deutscher Sprache.
Der Maler war wohl kein heimischer Künstler, sondern dürfte aus der Gegend um Rhein und Maas stammen oder in diesem damals äußerst bedeutenden europäischen Kunstzentrum ausgebildet worden sein. Insbesondere seine Darstellung des Raumes zeugt von Innovationsfreude und handwerklichem Können. Die glücklich wiederentdeckten Kreuzzugsszenen gelten als „die ältesten weltlichen Wandmalereien nördlich der Alpen“. Zudem können sie als „als einzig erhaltene Original-Ausmalung eines Palas-Saales überhaupt“ gelten.
Die Gamburg und so viel mehr
Die Sehenswürdigkeiten auf der Gamburg erschöpfen sich noch längst nicht in Gärten und Palas-Saal, der im Übrigen aus konservatorischen Gründen nur mit Führung zu besichtigen ist. Man sollte nicht nur auf der Burg verweilen, sondern auch in den Ort Gamburg hinunterwandern, an die Tauber und am besten bis zur Eulschirbenmühle. Bei Letzterer handelt es sich um ein romantisches, aber leider verfallenes Renaissanceschlösschen. Angeblich hat es einer der Gamburg-Ritter für seine Geliebte, die Wasserfrau Melusine, erbauen lassen.
Hat man all dies gesehen, begibt man sich am besten wieder in den Burggarten, setzt sich unter den Spitzahorn, genießt leckeren Kuchen, fühlt sich wie im Süden und liest nach, was es mit den 21 Geistern auf sich hat.
Service
Burg & Burgpark Gamburg
Burgweg 29
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Fotos
Mit Ausnahme des Burgcafé-Fotos, das ich selbst aufgenommen habe, wurden mir alle Fotos von der Burg Gamburg kostenfrei zur Verfügung gestellt. Herzlichen Dank!