Das E. T. A. Hoffmann-Haus in Bamberg
Auf Dichterspuren im Weltkulturerbe
Bamberg ist wunderschön und läuft deshalb gern mal über vor Touristen. Wer deshalb einen Ruhepunkt sucht, findet ihn im E. T. A. Hoffmann-Haus. Dreieinhalb Jahre lebte der Dichter, Musiker und Jurist zusammen mit seiner Frau in dem schmalbrüstigen Haus am Schillerplatz. Damals konnte er sich nur die Miete für wenige Räume in der zweiten Etage und im Dachgeschoss leisten, heute ist das ganze Haus samt einem wunderschönen Gärtchen seinem Andenken gewidmet.
Kaum hat man die alte Holztür geöffnet und den langen, schmalen Flur betreten, an dessen Ende helles Licht hereinbricht, fühlt man sich trotz moderner Zutaten in einen Zeittunnel versetzt. Gerade noch im 21. Jahrhundert, ist nun das 19. Jahrhundert angebrochen. Von September 1809 bis zum April 1813 hat das Ehepaar Hoffmann hier gelebt, und es war keine einfache Zeit.
Napoleon als Katalysator
Als Napoleon I. 1806 im damals preußischen Warschau einzog, verlor Hoffmann, der als Jurist bei der Regierung arbeitete, seine Stelle. Er beschloss das Genre zu wechseln und nicht mehr als Jurist, sondern als Musiker zu arbeiten. Nach einem missglückten Versuch in Berlin erhielt er in Bamberg die Stelle als Musikdirektor am Theater. Lang hatte er diese Stelle nicht inne, denn schon das erste Dirigat war ein Misserfolg und er wurde freigestellt. In der Folge hielt er sich und seine Frau durch Gelegenheitsarbeiten am Theater und vor allem Musikunterricht über Wasser. Als er 1814 das Angebot erhielt, bei einer Operngesellschaft in Dresden und Leipzig anzuheuern, sagte er zu und verließ Franken in Richtung Sachsen. Auch hier kam der Bruch schnell, inzwischen war allerdings Napoleon I. besiegt und er konnte als Jurist in den Staatsdienst und nach Berlin zurückkehren. Bis zum seinem Tod am 25. Juni 1822 lebte er in der preußischen Hauptstadt.
Bamberg war trotz des musikalischen Einbruchs am Theater eine bedeutende Lebensstation für Hoffmann. Hier tat er die ersten entscheidenden Schritte hin zu der Profession, für die er heute bekannt ist: zum Dichten. 1803 hatte er mit „Schreiben eines Klostergeistlichen an seinen Freund in der Hauptstadt“ ein erstes Werk vorgelegt. Erst 1809 in Bamberg legte er mit „Ritter Gluck“ nach. Die Erzählung erschien in der „Leipziger Allgemeinen musikalischen Zeitung“, und der Verleger bot Hoffmann in der Folge an, für das Blatt Musikkritiken zu verfassen. Auch weitere Erzählungen erschienen darin, und dabei entwickelte Hoffmann die Figur, die als sein Alter Ego in die Literaturgeschichte einging, den Kapellmeister Johannes Kreisler. Als E. T. A. Hoffmann Bamberg verließ, waren die Weichen für den Weg gestellt, der ihn zu einem der bedeutendsten Dichter der Romantik und überhaupt des literarischen Deutschlands machen sollte.
Spiegelungen und Zaubereien
1938 wurde in Bamberg die E. T. A. Hofmann Gesellschaft gegründet, die bis zum 31. Dezember 2019 Trägerin des E. T. A. Hoffmann-Hauses, der einzigen Gedenkstätte für den Dichter und Musiker, war. Mit Beginn diesen Jahres übernahm die Stadt Bamberg das Haus. Die Besucher sehen heute eine 1999 und 2002/03 von dem Bühnenbildner Wolfgang Clausnitzer konzipierte Ausstellung, die sich über mehrere Ebenen erstreckt.
Eingetreten in den Zeittunnel, wird man links im abgedunkelten Spiegelkabinett vom vielfach gespiegelten Bild Hoffmanns empfangen. Büste und Feder auf einem Tisch sowie die Exponate in den erleuchteten Schaukästen entführen den Gast sofort in die Welt des Multitalents. Bevor es die Treppe mit ihren knarrenden Stufen und dem wunderschönen Holzgeländer hinaufgeht, zieht einen der grüne Lichtpunkt am Ende des Flurs magisch an, und das ist gut so. Plötzlich steht man nämlich im Zaubergarten, der nicht nur verzaubert wirkt, sondern auch bezaubernd ist und dessen Name eine Reminiszenz an den „Goldenen Topf“ ist. Überhaupt ist der idyllische Garten eine einzige Erinnerung an Hoffmann und seine literarischen Werke. So wird des nicht gerade mäßigen Weingenusses des Künstlers gedacht, „Klein Zaches genannt Zinnober“ und „Undine“ treten auf, und aus den „Elixieren des Teufels“ wird sogar zitiert:
„eine warme, herrliche Luft, wie ich sie nie geatmet, strömte herein, ein Garten schloß sich an das Gebäude, herrliche fremde Bäume grünten und blühten, Weinlaub rankte sich üppig empor, vor allem aber war mir der dunkelblaue duftige Himmel eine Erscheinung aus ferner Zauberwelt.“
Natürlich fehlt auch Kater Murr nicht, wo sollte „der tüchtige Katzbursch“ mit seinen Lebensansichten auch besser hinpassen? Obwohl – Katzen haben ja so ihre eigenen Ideen und natürlich wollen sie auch im warmen Haus präsent sein, was natürlich nicht versäumt wurde.
Es fällt nicht leicht, sich der Ruhe und Verträumtheit des Zaubergartens zu entziehen, aber das Haus bietet ja noch eine Menge mehr.
Vom O-weh-Onkel zur Undine
Schließlich geht es also die Treppe hinauf, an deren erstem Absatz das Porträt von Otto Wilhelm Doerffer hängt. Der „O-weh-Onkel“ hatte Vaterstelle an dem aus schwierigen familiären Verhältnissen stammenden Knaben Ernst Theodor Amadeus vertreten, war wegen Unfähigkeit vorzeitig aus dem Justizdienst in die Pension abgeschoben worden und wurde von seinem Neffen nicht sonderlich geschätzt. Man mag vom O-weh-Onkel halten, was man will, das Porträt zeigt doch sehr schön das gutbürgerliche Umfeld, in dem Hoffmann aufgewachsen ist.
Eine Station weiter, im ersten Obergeschoss, werden mit Schautafeln und Faksimiles E.T.A. Hoffmanns Lebensjahre von der Kindheit bis zur Bamberger Zeit beleuchtet. Geht man anschließend durch ins Hinterhaus, trifft man auf Wechselausstellungen und im darüberliegenden Stock auf einen Vortrags- und Konzertsaal. Doch bleiben wir im Vorderhaus. Die Treppe weiter hinauf zur eigentlichen Wohnung der Hoffmanns kommt man an einer Nische vorbei, in der das Märchen „Nussknacker und Mausekönig“ dargestellt wird. Mit Hilfe von Illustrationen aus dem Jahr 1840 und einem Scherenschnitt aus dem Jahr 2009 entstand eines jener Papiertheater, die Hoffmann sehr liebte.
Etwas weiter wurde in dem kleinen Raum, der wohl einst die Küche war, eine Opernloge aus der Uraufführung der „Undine“ 1816 im Berliner Nationaltheater nachgestellt. Das Bühnenbild wurde mit Dekorationsentwürfen Karl Friedrich Schinkels und einer Nachzeichnung des Bühnenbilds ausgestattet.
Purzelnde Stiefel und fliegende Instrumente
Im ehemaligen Wohnzimmer dreht sich alles um die Zeit von Bamberg bis Berlin. Man weiß nicht recht, ob man es in Wirklichkeit haben möchte, aber hier in der Gedenkstätte ist es ebenso wie in der Erzählung „Meister Floh“ ein interessantes Gedankenspiel: das Gedankenmikroskop. Steht außen, was der Mensch öffentlich von sich gibt, so verrät das Innere die wahren Gedanken. Ein nicht ganz ungefährliches Spiel, sollte es denn je Realität werden.
Ein Loch in der Decke des Wohnzimmers, von dem ein Scherenschnitt herabhängt, diente Hoffmann sozusagen als Sprachrohr, doch nicht nur das. Der gern zu Streichen aufgelegte Hausherr erlaubte sich auch manchen Überraschungseffekt, in dem er plötzlich Stiefel oder Handtuch von oben mitten in die gute Stube purzeln ließ.
Unterm Dach, wo sich heute Poetenstübchen und Musikzimmer befinden, waren früher Arbeits- und Schlafzimmer untergebracht. Im Musikzimmer springt einem sofort die in Bamberg komponierte Oper „Aurora“ in die Augen, wurde ein Teil der Originalpartitur doch auf die Tapete produziert. Davor hängt ein 2012 von Hans Günter Ludwig gestaltetes Mobile aus Scherenschnitten. Diese gehen auf Zeichnungen von Musikinstrumenten zurück, die Hoffmann, der auch ein begabter Zeichner war, aufs Blatt brachte.
Das Poetenstüble hat in der Tat eine poetische Atmosphäre. Man möchte zwar nicht unbedingt am eigenen Leib erkunden, wie das Schreiben im kalten Winter hier gewesen sein mag, in der warmen Jahreszeit wirkt es jedoch trotz oder gerade wegen seiner zurückhaltenden Einrichtung sehr anziehend. Fast möchte man sich auf die Bank und an den Tisch vor dem Fenster setzen, durch das helles Licht einfällt und der Blick auf den Theaterplatz hinunterwandern kann. Jetzt die Feder ergreifen und auf das Papier den Blogartikel über das E. T. A. Hoffmann-Haus in Bamberg bringen – das wär‘s.
Service
E. T. A. Hoffmann-Haus Bamberg
Schillerplatz 26
96047 Bamberg
Tel.: 0951/2976-200
E-Mail: info@etahg.de
Website Weltkulturerbe Bamberg
Website E.T.A. Hoffmann-Gesellschaft
Öffnungszeiten: 1. Mai – 1. November, täglich (außer Montag) 13-17 Uhr
Eintrittspreis: 2 € regulär / 1 € für Schüler und Studenten; BAMBERGcard 14,90 € (Eintrittspreis enthalten); kostenfrei: Kinder bis zu 6 Jahren und Mitglieder der E. T. A. Hoffmann-Gesellschaft.
Führungen können beim Tourismus & Kongress Service gebucht werden.
Spezialführungen für Grupppen bis 15 Personen bietet der Schauspieler Andreas Ulich an (Tel. 0951-9684493 oder E-Mail: info@ulich-wortkunst.de)